Muskeln statt Sarkopenie
Unser Körper verfügt über ca. 640 Muskeln, die möglichst lange ihre Kraft und Funktion erhalten und zu einem "bewegten" Leben beitragen sollen.
Jedoch werden wir durch technische Errungenschaften wie Auto oder Fahrstuhl zunehmend zu Bewegungsmuffeln. Nach dem Prinzip "use it or loose it" stellt sich ein folgenschwerer Muskelabbau ein.
Muskelarten
Unterschieden werden
- die glatte, unwillkürliche Muskulatur der inneren Organe (z.B. in Darm- und Gefäßwänden),
- die quergestreifte, unwillkürliche Herzmuskulatur und
- die quergestreifte, willkürliche Skelettmuskulatur, die aus zwei Fasertypen besteht, den roten, kleinen Muskelfasern (Typ I) für die Ausdauerkraft und den weißen, großen Muskelfasern (Typ II) für die Schnellkraft.
Die Skelettmuskulatur
Ein Skelettmuskel besteht aus vielen Muskelfasern, die wiederum aus Muskelfibrillen aufgebaut sind. Eine Muskelfibrille setzt sich aus Hunderten von hintereinander geschalteten Sarkomeren zusammen. Diese sind 2,5 µm groß und bestehen aus den Eiweißmolekülen Aktin und Myosin. Bei der Muskelkontraktion hakt sich das Myosin in das Aktin ein und verkürzt das Sarkomer um 1 µm.
Die Muskelkontraktion wird in motorischen Einheiten koordiniert. Diese setzen sich aus einer Nervenzelle der Hirnrinde und des Rückenmarks (Motoneuron), verbindenden Nervenfasern (Axonen) und mehreren Muskelfasern zusammen. Zur Feinmotorik innerviert ein Axon ca. 10 Muskelfasern im Gegensatz zu den bis 2000 Muskelfasern der Grobmotorik.
Muskelatrophie und Sarkopenie
Der Zustand der Skelettmuskulatur unterliegt einem Regelkreis seiner Gebrauchsintensität. So kann sich der Kraftsportler stattliche Muskelpakete antrainieren, während der untätige "Stubenhocker" Großteile seiner Skelettmuskulatur abgebaut hat. Muskeln wollen bewegt werden. Dem stehen jedoch zunehmend die zivilisatorische Bewegungsarmut und die Handicaps des Alters entgegen. Die muskuläre Inaktivität führt zuerst zur Muskelatrophie, später zur Sarkopenie:
- Die Muskelatrophie setzt bereits nach wenigen Wochen ein. Bei der Atrophie werden die Sarkomere abgebaut, es kommt zur Ausdünnung der Muskelfasern und damit zur Reduktion der Muskelmasse. Fatal ist, dass der Muskelschwund äußerlich meist nicht wahrzunehmen ist, weil Fettgewebe das fehlende Muskelvolumen ersetzt.
- Bei langdauernder Muskelinaktivität stellt sich das Stadium der Sarkopenie ein. Neben dem Muskelabbau kommt es zur Schädigung der motorischen Einheiten mit der Folge einer gestörten nervalen Signalübertragung. Die ausgedünnten Skelettmuskeln sind dann nicht nur kraftlos, sondern auch fehlgesteuert. Der typische Patient mit Sarkopenie bewegt seinen voluminösem Körperstamm kleinschrittig auf schlanken Beinen.
Nervale Fehlinnervation führen zur gestörten Reaktions- und Koordinationsfähigkeit, woraus Stürze resultieren können. Die Sarkopenie richtet auch Schäden an anderen Organsystemen an. Durch Inaktivität bauen die Knochen die Osteoid-Grundsubstanz ab, es kommt zur Osteoporose. Bewegungsmangel unterfordert die Gehirnzellen, wodurch demenzielle Erkrankungen entstehen können. Weiterhin begünstigt das muskelersetzende Fettgewebe den Diabetes mellitus. Ähnlich wie der Typ II des Diabetes mellitus scheint die Sarkopenie eine Volkskrankheit zu werden. Weit über die Hälfte der über 50-jährigen Bundesbürger weist heute bereits die Symptome der Sarkopenie auf.
Alltägliche Muskelübungen "im Vorübergehen"
Man sollte bewusst und häufig die Muskeln im Alltag bewegen. Hier einige unserer Empfehlungen:
- Möglichst viel zu Fuß erledigen: Treppe benutzen statt Aufzug, Einkaufen gehen statt fahren, Gegenstände tragen statt schieben etc.
- Kleine Alltagsübungen einbauen: Zähne putzen in der Skihocke, Haare föhnen im Einbeinstand, Telefonieren im Stehen etc.
- Sport moderat treiben: Am besten 3- bis 4-mal pro Woche für 20 bis 30 Minuten, abwechselnd Kraftübungen, Stretching, Rückengymnastik und Ausdauertraining.
- Auf gesunde Ernährung achten: Die Kalorienzufuhr an der Aktivität ausrichten, Nahrung mit wenig Kohlenhydraten und Fetten, dafür eiweiß- und vitaminreich mit Obst und Gemüse.
Literaturempfehlung: Froböse I. Versteckte Krankheiten. Wie Sie sie stoppen, bevor sie ausbrechen. Gräfe und Unzer, München 2008